Ich sag’s euch mit dem Rauchen aufzuhören, war viel leichter als nicht mehr zu urteilen. Seit einiger Zeit versuche ich meine Gedanken in die positive bzw. in die neutrale Richtung zu lenken und wenn ich ganz ehrlich bin, gelingt es mir nur bedingt. So habe ich mich letzte Woche dabei erwischt, wie ich über eine Frau geurteilt habe, deren Make-Up mir nicht gefallen hat. Die Kombination aus blauem Lidschatten, blauer Mascara und pinken Lippenstift ist mir persönlich zu steil, sie schien es zu lieben und hat es mit so viel Selbstbewusstsein getragen, dass ich sie eigentlich hätte anfeuern sollen als sie den Gang der Bim kurzzeitig zu ihrem ganz persönlichen Laufsteg umfunktioniert hat. Aber nein, stattdessen habe ich mir gedacht: „Na Servus, da hat’s heute jemand aber besonders ernst gemeint mit den Farben!“ und ich habe keine Ahnung wieso ich mir das gedacht habe. Denn diese Frau hat mir rein gar nichts getan, ich kenne sie nicht und ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie gecheckt hat, dass es mich gibt. Und trotzdem hatte ich einen negativen Gedanken über sie.
Das ist doch irre. So möchte ich nicht sein, aber manchmal passiert es mir doch. Obwohl ich wirklich mein Bestes gebe, es nicht zu machen. Deshalb habe ich beschlossen hier einfach mit ein Geständnis abzulegen. Wozu hat man denn sonst einen Blog, wenn man nicht ab und an auch mal die unangenehmen Dinge thematisieren kann, die man sonst niemals laut aussprechen würde. Ob’s was bringt? Fraglich. Aber probieren kann man es ja.
Blöderweise geht das manchmal recht schnell mit dem Urteil. Und vor allem so unbewusst. Man wertet über das Outfit einer Person, über eine Lebensweise oder auch einfach über eine Angewohnheit, die man vielleicht nicht so zu schätzen weiß. Also zumindest geht es mir so und ich frage mich ernsthaft wieso. Ich weiß ja wie widerlich es sich anfühlt, wenn andere über mich richten. Wieso hält mich das nicht davon ab, es bei jemand anderen zu tun?
Nun, ich geb’s ungern zu, aber ich befürchte der Ursprung liegt in meinen Unsicherheiten und zwar an denen, die ich nicht einmal mehr habe. Es war nun einmal einfacher etwas einen Wert aufzudrücken als sich einzugestehen, dass man mit irgendwas in seinem eigenen Leben unzufrieden war. Mir war nichts heilig. Outfits, Lebensentscheidungen, Kindernamen, Wohnungseinrichtungen, Frisuren, Lebensabschnittspartner, Gewohnheiten, Meinungen, Aussehen … you name it, I judged it und dann war ich oft auch in bester Gesellschaft. Wisst ihr wie anstrengend das ist? Und wie hässlich das einen macht?! Jetzt mal ganz abgesehen davon wieviel Energie das einen kostet. Also versuche ich seither mir das abzugewöhnen und das leider nicht so erfolgreich wie ich es gerne hätte. Es scheitert nicht einmal daran, dass ich noch so unsicher bin oder dass ich so viel so scheiße finde, sondern weil ich mir schwer tue Dinge nicht zu bewerten. Egal, ob positiv oder negativ.
Es wird zwar von Tag zu Tag besser und normaler Menschen einfach Menschen sein zu lassen und fremde Entscheidungen einfach fremde Entscheidungen sein zu lassen, aber so ganz schaff ich’s nicht. Das liest sich jetzt so tragisch, gell? Ist es aber nicht. Keine Sorge, ich laufe nicht durch die Welt-Geschichte und lästere in meinem Kopf über andere Menschen, ich nehme nur vieles wahr und denke mir meinen Teil. Dabei könnte ich die Sachen einfach nur wahr und vor allem hinnehmen. Das wäre so viel angenehmer und einfacher.
Dieser Text dient übrigens nicht dazu jemanden ein schlechtes Gewissen zu machen oder gar zu belehren Ich wollt mir das einfach von der Seele schreiben und vielleicht wollte ich low key doch, dass ihr ab und an dran denkt, wenn ihr in eurem Kopf mal jemanden be- oder verurteilt. Es bringt ja dann doch nichts außer schlechte Vibes, die nun wirklich kein Mensch mehr braucht.